(Senioren-)Filme als Artefakte von Alltagskultur

Geschrieben von .Redaktion.

kjf logo 16 dt generationen filmpreis 4cDer Deutsche Generationenfilmpreis wurde 1998 ins Leben gerufen und ermutigt seit einem Vierteljahrhundert ältere Filmemacher*innen und generationenübergreifend besetzte Filmteams, ihre Sicht auf die Dinge zu präsentieren.
„In den 25 Wettbewerbsjahren haben wir schätzungsweise 4.000 Filme von älteren Regisseur*innen vorgelegt bekommen. Das Fazit: Für eine künstlerisch-kreative Auseinandersetzung mit der Welt und dem eigenen Leben gibt es keine Altersgrenze. Besonders Menschen in ihrer zweiten Lebenshälfte suchen nach Ausdrucksformen für ihre Geschichten – und finden sie immer wieder in einem eigenen Film.“ Jan Schmolling, seit Gründung des Wettbewerbs 1998 Leiter des Projekts am Deutschen Kinder- und Jugendfilmzentrum, ist bis heute von der Idee überzeugt, dass es einer öffentlich sichtbaren Bühne bedarf, um die Gedanken, Wünsch, Ängste und Verunsicherungen älterer Menschen der Gemeinschaft zu präsentieren. Und eine Plattform ist unersetzbar, die dabei diesen älteren Menschen auch mit jüngeren Generationen zusammenbringt.


All das leistet der Deutsche Generationenfilmpreis (bis 2016 unter dem Titel „Video der Generationen“). Er ist in dieser Funktion und seinem Selbstverständnis bis heute einzigartig in Deutschland – möglicherweise sogar darüber hinaus.

Auf Initiative des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend geplant, war von Beginn an klar, dass das Deutsche Kinder- und Jugendfilmzentrum in Remscheid die Umsetzung übernimmt. Das KJF verfügte schon damals über die notwendige Expertise zur Konzeption eines solchen innovativen Medienwettbewerbs und brauchte von Beginn an die Energie auf, dieses Vorhaben in die Breite zu tragen.

Was aber macht den Wettbewerb so besonders – Filmwettbewerbe gab und gibt es schließlich viele? Ein herausstechendes Merkmal des Deutschen Generationenfilmpreises ist sein dialogisches Konzept. Filme sind das Medium, das Menschen zusammenführt – über Generationen hinweg. Das Schlagwort vom „Dialog der Generationen“ auch in der Kulturarbeit war geboren. Indem ältere Menschen oder altersmäßig gemischt besetzte Filmteams gemeinsam ein Medienprojekt planen und umsetzen, kommen sie unweigerlich ins Gespräch: über Themen, Befindlichkeiten, die Wahl des Sujets oder Formen der Präsentationen.

Sie lernen sich kennen – und schätzen. Sie spiegeln die eigene Lebenswirklichkeit an der anderer Generationen, die über mehr – mindestens aber andere – Erfahrungen verfügen. Aus Verständigung wird Verstehen wird Verständnis. Jan Schmolling: „Dieser sozialpsychologische Aspekt steht nicht als Leitmotiv über dem Wettbewerb. Dort treffen sich nicht Intellektuelle, um über ‚gute alte Zeiten‘ zu philosophieren. Es geht um das konkrete Tun – und ganz besonders um den Spaß beim Filmemachen. Der Rest ergibt sich fast von allein.“

Bei der Konzeption des Deutschen Generationenfilmpreises war bereits klar geworden, dass es in der deutschen Medienwirklichkeit keine echten Plattformen oder Bühnen für gelebte generationenübergreifende Filmkultur gab. Diese Filmarbeit liefert aber den Stoff für gesellschaftliche Diskurse oder Lösungsansätze für konfliktbehaftete Situationen. Film – ebenso wenig wie Malerei oder Gesang – ist per se keine Kultur. Der Film ist ein Artefakt, das aus Debatten, Sichtweisen und Argumenten des Alltags entsteht. Und er trägt letztlich wieder dazu bei, dass solche gesellschaftlichen Dialoge inhaltlich unterfüttert werden; mit Argumenten, die der Lebenswirklichkeit älterer Menschen entspringen.

Der Film, der von älteren Menschen gemacht wird, der sich mit dem Alter, den Generationenbrüchen und der Zukunft befasst, die alle mitgestalten sollen, hat in dieser Sichtweise Einfluss auf Prozesse der Gesellschaft – und nicht zuletzt das individuelle Leben der Zuschauer*innen. Entsteht ein Film, an dem Menschen über 60 beteiligt sind, kann er unter Umständen für andere eine Option für die Gegenwart sein. Er trägt zu kollektiven Gedächtnis bei uns bereichert unseren künstlerisch-kreativen Horizont. „Er bringt ganz sicher andere Menschen dazu, ihre persönlichen Ausdrucksformen für das zu finden, was ihnen wichtig ist“, so Schmolling.

Seit 25 Jahren läuft dieses Projekt erfolgreich – und kann doch noch immer wachsen. Längst haben sich Themen und Technik fundamental gewandelt. Längst genügt ein Smartphone, um eine Geschichte filmisch umzusetzen und letztlich gibt es immer mehr über die Welt und den Einzelnen darin zu berichten, weil sie von Tag zu Tag komplexer zu werden scheint.

Insofern tragen generationenübergreifende Filmprojekte auch maßgeblich dazu bei, die Welt lesen zu können – Literalität nennt man das. Und trotz des pädagogischen und medien- und gesellschaftspolitischen Anspruchs ist der Deutsche Generationenfilmpreis vor allem auch eines: Eine Möglichkeit, Neues auszuprobieren, Kontakte zu knüpfen, Gemeinschaft zu erleben und Selbstwirksamkeit zu erfahren; kurz: Freude am Tun und am Ergebnis zu haben.

Aktuell läuft der 25. Jahrgang des Wettbewerbs. Bis 15. Januar 2023 können wieder Filme, Videos und audio-visuelle Beiträge der unterschiedlichsten Art eingereicht werden. Erwünscht sind Produktionen zu allen Themen und in verschiedensten Genres bzw. Umsetzungsformen. Ganz gleich, ob mutiger Experimentalfilm, spontan aufgenommener Smartphone-Clip oder sorgfältig geplantes Filmprojekt; Hauptsache selbstgemacht. Wie in den Jahren zuvor gliedert sich der Wettbewerb auch im Jubiläumsjahr in zwei Teile: In einem Bereich können Filme zu freien Themen eingesandt werden. Der zweite Bereich wird jeweils mit einem Jahresthema überschrieben. In diesem Jahr lautet dieses Thema „Was wäre, wenn?“. Zum offenen Wettbewerb und zum Jahresthema suchen die Jurys ungewöhnliche und alltägliche, anrührende und überraschende, verstörende oder aufklärende Film- und Videoproduktionen. Hauptsache selbstgemacht, authentisch und aus dem Leben gegriffen.

Der Wettbewerb mündet schließlich in das Bundes.Festival.Film., das im kommenden Juni erneut in Augsburg stattfinden wird. Dort erwarten die Sieger und Platzierten des Wettbewerbs 8.000 Euro Preisgeld – und Anerkennung des Publikums – wie immer sehr niederschwellig angelegt und die Freude am kreativen Tun in den Fokus rückend.

25 Jahre Deutscher Generationenfilmpreis – ein guter Anfang und beste Voraussetzungen für ein weiteres Vierteljahrhundert aktive Medienarbeit von, mit und für ältere Menschen bzw. generationenübergreifend arbeitende Filmteams.